Kooperation immer und überall

Frische Farbe für drei Räume
4. Januar 2018
Ministerium gibt grünes Licht für Sekundarschule
4. Januar 2018

26.01.2012  Quelle: derwesten.de

Anne Rohde hat in den kommenden Monaten viel zu regeln: Sie soll die interkommunale Sekundarschule an den Start bringen. Foto: Christof Hüls

Altena/Nachrodt-Wiblingwerde. Anne Rohde bringt die interkommunale Sekundarschule Altena/Nachrodt-Wib-lingwerde an den Start. WR-Redakteur Christof Hüls sprach mit der Kommissarischen Schulleiterin.

WR: Kann Sekundarschule tatsächlich Haupt- wie Realschülern entsprechen?

Anne Rohe: Wir hätten jetzt die Vorteile der Orientierungsstufe in dem kleinen System, wo die Schüler in der Schule bleiben können. Im Gegensatz zur Gesamtschule kann die Sekundarschule ab Klasse 7 ganz unterschiedlich weiter laufen. Die Gesamtschulen dürfen nur zwei Niveaus haben: D und E und die Kinder bleiben zusammen. In Sekundarschule können die Eltern in der Schulkonferenz mitbestimmen, wie es weiter geht. Man könnte jeweils einen Haupt-, Real- und Gymnasialzweig bilden. Sie kann ganz integrativ weiterlaufen: Alle Kinder in einer Klasse. Das Konzept dieser Schule ist eine Dreigliedrigkeit, wo sich schon die Schulformempfehlung ein wenig widerspiegelt, aber vor allem neigungsorientiert und nicht schulformorientiert.

Was darf man sich unter „neuen Unterrichtsformen“ vorstellen?

Kooperative Lernformen und selbst gesteuertes Lernen sind die neuen Begriffe, die zunehmend in den Schulen einziehen. Das Prinzip ist erst eine Einzelarbeit („think“), gemeinsame Arbeit mit Partner oder in Gruppen („pair“) und dann „share“ (teilen): Der Stoff wird im Plenum durchgesprochen und die Ergebnisse werden verglichen. Leistungsstarke Schüler können anderen etwas erklären. Sowohl die leistungsstarken als auch die leistungsschwachen Schüler profitieren. Die Schüler werden zu selbstständiger Arbeit angehalten. Bei einer anderen Methode können die Schüler unter verschiedenen Niveaus wählen, haben einen gewissen Pflichtteil und müssen dann Testaufgaben machen. Damit die so was können, muss man natürlich vorher klein anfangen. Das fängt an mit Partnerarbeit und mit kleinen Aufgaben. Da wird sehr viel Disziplin von den Schülern verlangt.

Diese Methoden ziehen auch an anderen Schulen ein?

Da ist meine bisherige Schule schon Vorreiter. Wir haben als Erstes das Kompetenzteam für die kooperativen Lernformen nach Lüdenscheid geholt.

Kommt Sekundarschule Schülern mit punktuellen Schwächen entgegen?

Es kommt Schülern entgegen, die nicht so schnell sind. Wenn ein Kind locker leicht sofort immer alles auffasst und schnell und gern lernt, dann ist es am Burggymnasium richtig. Aber wenn Eltern denken, dass ihr Kind vielleicht noch etwas Zeit braucht bis zum Abitur, dann wäre die Sekundarschule besser. Dann kann das Kind trotzdem später das Abitur machen, ohne jemals sitzen geblieben zu sein.

Welche Schulabschlüsse sind möglich?

Nach dem mittleren Schulabschluss wird es in die Oberstufe in die neue Klasse 10 versetzt, die von den Inhalten der bisherigen Klasse 11 entspricht. Die Sekundarschule vergibt alle Abschlüsse: HS nach 9 und 10, Fachoberschulreife mit/ohne Qualifikation. Ziel ist es natürlich, alle Kinder zu dem höchst möglichen Abschluss zu führen. Das heißt: Wir werden versuchen, so viele wie möglich zum Abitur zu führen

Wie sieht die Kooperation mit Burggymnasium und Berufskolleg aus?

Durch Aufnahmegarantie und dadurch, dass wir Lehrer uns austauschen, durch Hospitationen und eventuell gegenseitigen Unterricht. Auch ein Abgleich der schulinternen Curricula ist vorgesehen. In der Klasse 10 ist es möglich, eine Art Beschleunigungskurse anzubieten. Erfahrungsgemäß sind Mathe, Deutsch und Englisch für Realschüler oft schwierig. Die Lüdenscheider Schirrmann-Realschule ist schon bisher bilingual aufgestellt und die Schüler sind sehr gut in Englisch. Der bilinguale Zweig hat sich positiv für die ganze Schule ausgewirkt. Aber auch der Mint-Zweig der neuen Sekundarschule ist eine gute Vorbereitung für den naturwissenschaftlichen Schwerpunkt in der Oberstufe: Die Kinder lernen gezielter Mathe, Naturwissenschaft und Technik. Der Berufspraktische Zweig richtet sich mehr an die Kinder, die sich nicht so für die wissenschaftliche Arbeit interessieren, sondern mehr technisch, berufspraktisch ausgerichtet sind. Das Fach Wirtschaft ebnet ebenfalls den Weg zum Vollabitur am Berufskolleg.

Die Eltern haben mehr Mitspracherechte?

Die Schulkonferenz hat mehr Einfluss. Bei einer Schule, die ihr Profil erst bilden muss, können sich engagierte Eltern ganz anders einbringen. Das Programm steht als Empfehlung. Jede Sekundarschule hat ein völlig unterschiedliches Profil. Dieses ist abgestimmt auf die Altenaer Landschaft. Dieser Berufszweig ist eine ganz tolle Sache. Andere haben vielleicht einen Kunstzweig. Aber hier können wir an den Traditionen der bisherigen Haupt- und Realschulen anknüpfen und die gute Verflechtung zur Industrie weiter treiben, die wir bisher haben. Es ist ja nicht unbedingt für jeden anzustreben, dass er noch sechs Jahre studiert. Er könnte ja schon neun Jahre vorher in Handwerk oder Industrie Geld verdienen.

Was passiert, wenn sich aus Altena und Nachrodt mehr als 75 Kinder anmelden?

Das Aufnahmeverfahren ist per Gesetz geregelt. Es gibt Anordnungen der Bezirksregierung, wie zu verfahren ist, falls die Zahl der Anmeldungen die Aufnahmekapazität übersteigt. Ein Losverfahren ist nicht ausgeschlossen.

Sie wollen bilingual unterrichten, das heißt zum Beispiel Bio auf Englisch.

Bilingual werden vornehmlich die Gesellschaftswissenschaften Erdkunde, Geschichte und Politik unterrichtet. Aber das kommt darauf an, welche Lehrer wir einstellen können.

Die Kinder haben zwei Stunden mehr Englisch, davon profitieren alle. Es wird so eine Art Schnupperkurs-System in der Erprobungsstufe geben, spätestens ab Klasse 7 müssen die Zweige feststehen. Ab Klasse 7 gibt es eine sanfte Einführung von Englisch in Erdkunde. Die Kinder haben eine Stunde mehr Erdkunde, so dass sie die Zeit haben, das zu verstehen. Die Parallelklassen haben z.B. im Mint-Zweig die Zeit für Experimente. Das hängt also vom Wahlpflichtzweig ab.

Ich bin also nicht gezwungen, Erdkunde auf Englisch zu lernen?

Genau. Man entscheidet sich für Erdkunde/ Englisch oder MINT (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Der berufspraktische Bereich soll einen starken technischen, hauswirtschaftlichen und wirtschaftlichen Teil haben.

Wie kommen Sie an Lehrer?

Wenn eine neue Schule entsteht, ist das eine ganz spannende Sache für einen Lehrer, weil er die selbst mitprägen kann. Dann ist davon auszugehen, dass sich engagierte Lehrer dafür interessieren, die eine Schule prägen möchten. Die werden sicher auf die Schulleitung zukommen.

Das ist eine Aufforderung, sich zu melden?

Ja!

Wo kommen die vielen Fachlehrer für jeweils wenige Stunden her?

Optimal wären jeweils zwei Deutsch-, Mathe-Lehrer sowie zwei Englisch-Lehrer mit den Zweitfächern Erdkunde, Physik oder Politik bzw. Sowi. Die können gleich den bilingualen Zweig besetzen. Jetzt muss man aber erst einmal gucken, welche gestandenen Kollegen sich melden, die vielleicht bereits engagiert am jetzigen Konzept mitgearbeitet haben. Dann hätte man schon eine gute Kombination. Das was fehlt, würde man ausschreiben.

Erschweren zwei Standorte die Arbeit nicht ungemein?

Für die Kinder ist das sicher kein Problem. Für die ist aus der Not eine Tugend gemacht worden. Für die Kollegen müssen da besondere Fantasien entwickelt werden. Es darf nicht zu erhöhten Belastungen kommen. Es wird sicher Schwerpunktlehrer geben. Wir haben ja auch, einsetzend mit Klasse 7, eine zunehmende Differenzierung. Das passt auch im Raumkonzept, sonst müssten wir auch in Nachrodt viele Fachräume einrichten.

Lässt sich eine Sekundarschul-Grundstufe so einfach an einer laufenden Hauptschule initiieren?

Die Nachrodter Hauptschule weicht ins oberste Stockwerk aus. Im mittleren Stockwerk sind die Sekundarschulklassen unter sich. Wir wechseln uns in den Fachräumen ab. Die Hauptschule Nachrodt ist sehr klein und von den Schülern her nicht so problematisch im ländlichen Bereich. Die Schulleitung will Zusammenarbeit. Im zweiten Jahr haben wir fast doppelt so viele Schüler wie die Hauptschule.

Schlagen zwei Herzen in Ihrer Brust: für Real- wie Sekundarschule?

Beide Schulformen haben ihre Daseinsberechtigung. Für meine Schule in Lüdenscheid sehe ich eine Zukunft, das ist eine große Stadt. Aber hier in Altena ist das die einzige Chance, ein zukunftsfestes, attraktives Angebot aufrecht zu erhalten. Das gilt auch für Nachrodt-Wiblingwerde. Zusammen haben die beiden Kommunen eine Chance, eine Schule hier zu halten. Das hätten sie mit den bestehenden Schulen wohl nicht. Und zwar deshalb, weil die Hauptschulen nicht mehr gewählt werden. Damit geht auch die Realschule kaputt.

Ihr größtes Problem?

Der zukünftige Schulleiter wird unheimlich viel organisieren müssen. Vieles wird sich erst im letzten Moment ergeben. Die Eltern vertrauen uns das Wertvollste an, was sie haben: ihre Kinder. Ich denke, da müssen wir sehen, dass wir ihnen die Wahl so erleichtern, dass wir ihnen möglichst viele Informationen geben.

Machen Sie noch Urlaub?

Ich hoffe doch.