Bundesweit fanden Girls’ Day eigentlich am 28. März und und Boys’ Day am 31. März statt. Ziel der beiden auch als Mädchen- beziehungsweise Jungen-Zukunftstag bezeichneten Aktionstage ist es, Kinder und Jugendliche für Berufe zu interessieren, die für gewöhnlich eher mit dem jeweils anderen Geschlecht in Verbindung gebracht werden. Aus organisatorischen Gründen hatte die Sekundarschule die berufsorientierende Maßnahme auf den 4. April verschoben.
Der Tag bot Mädchen Gelegenheit, einen ersten Einblick in Berufsfelder bekommen, die sie eher selten bei der Berufsfindung in Betracht ziehen. Davon machte zum Beispiel die elfjährige Alicia Saracino Gebrauch, die den Tag im Nachrodter Sanitär- und Heizungsbaubetrieb Fischer verbrachte. Ihr Vater hatte sie auf diese Idee gebracht, und so begann der Tag für die Schülerin der Klasse 6 c um 7.30 Uhr damit, dass sie einen Monteur bei der Montage eines Gartenwasseranschlusses begleiten konnte. Im Laufe des Tages erlebte sie dann noch die Kontrolle einer Solaranlage und die Störungsbehebung an einer Heizungsanlage. Hier und dort konnte sie auch selbst aktiv werden und beispielsweise Kupferrohre abschneiden. Firmenchef Bernd Fischer räumte ein, dass Mädchen beziehungsweise Frauen im Beruf des Gas-, Wasser- und Heizungsinstallateurs noch immer eher die Ausnahme sind, auch wenn es in Nachbarstädten sogar bereits von Frauen geführte Betriebe gebe. „Aber wir haben hier noch nie eine Bewerbung von einem Mädchen gehabt“, sagt Fischer. Dabei hat das Unternehmen vorgebaut und verfügt sogar über einen eigenen Umkleideraum für weibliche Mitarbeiter.
Bei Blumen Steinmann in Altena ist es genau umgekehrt. In dem Geschäft an der Bachstraße verbrachte der zwölfjährige Felix Winning den Boys’ Day. „Weil ich gerne draußen im Garten bin und weil mich Blumen interessieren“, antwortet der Sechstklässler auf die Frage, warum er ausgerechnet in den Beruf des Floristen hineinschnuppert. Er kann sich gut vorstellen, später einmal als Garten- und Landschaftsbauer oder eben als Florist zu arbeiten. Floristenmeisterin Katrin Schipper-Steinmann kennt nicht viele männliche Berufskollegen, allenfalls solche, die den Beruf ergreifen, weil sie einen Familienbetrieb weiterführen wollen. Dabei kann sie sich gut vorstellen, dass auch Männer in diesem Beruf Erfolg haben können: „Warum nicht? Wenn Geschick und Wille da sind…“, sagt sie.
Im Senioren- und Pflegeheim Nachrodter Hof haben Volkan Tekdemir (13) und Nick Grotmann (12) einen Schnupperplatz für den Boys Day gefunden. „In der Pflege sind Männer gar nicht so selten, der Sozialdienst ist dagegen fast reine Frauensache“, beschreibt Elvira Stroh, die stellvertretende Leiterin des Sozialdienstes, die Situation in deutschen Altenheimen. Volkan und Nick lernten deshalb am Freitag die Frauendomäne Sozialdienst kennen. Sie unterstützten die Bewohner des Nachrodter Hofs beim Kegeln oder halfen beim Mittagessen.
Während die Sechstklässler der Sekundarschule am Freitag in zahlreiche Betriebe und Einrichtungen in Nachrodt-Wiblingwerde, Altena und Umgebung ausschwärmten oder ihre Fähigkeiten praktisch in den Lehrwerkstätten der SIHK und des Ausbildungsunternehmens Inab in Lüdenscheid erproben konnten, fand der Girls’ und Boys’ Day für die Fünftklässler im Schulgebäude statt. Allerdings mussten auch sie nicht wie üblich die Schulbank drücken. Vielmehr hatten Lehrerkollegium und Eltern auch für die jüngsten Sekundarschüler ein Programm vorbereitet, das ihnen einen Einblick in die Rolle des jeweils anderen Geschlechts ermöglichte. So hatten Eltern zum Beispiel einen Hausarbeitsparcours aufgebaut, in dem die Jungen unter anderem Bügeln und Betten beziehen üben konnten. Auch Wäsche sortieren, Tisch decken und Kartoffeln schälen gehörte dazu.
Um den Mädchen des fünften Schuljahrs einen Einblick in typische Jungentätigkeiten zu ermöglichen, hatte die Sekundarschule fünf Schüler des Berufskollegs für Technik (BKT) engagiert. Zusammen mit ihrem Lehrer Marcus Kretschmer führten sie die Mädchen durch einen kleinen Aufgabenparcours. Da galt es beispielsweise, einen defekten Fahrradschlauch zu reparieren oder Werkzeuge zu bestimmen. Die Mädchen mussten hämmern und schrauben, Holz sägen und Draht biegen. Das BKT ist übrigens Kooperationsschule der Sekundarschule; technisch begabte Sekundarschüler können dort später ihr Abitur machen. – Volker Griese